El Hilo Latino
Textilkunst, Patchwork und Quilts

Pullover aus Wollresten

Aus allen Wollresten mal einen Pullover stricken – ich fand das eine gute Idee und hatte Hoffnung, die Box mit den Resten ein bisschen zu entlasten. Ich bin ungeduldig, also war Handstricken für die dünne Sockenwolle keine Option. Außerdem wartet meine „Kleinanzeigen-Dachboden-Fundstück-ohne Funktionsgarantie-Strickmaschine“ schon ganz lange darauf, endlich mal wieder zum Einsatz zu kommen. Dass sie noch viel gutes Zureden braucht, um wieder richtig zu laufen, hatte ich in vager Erinnerung. Also frisch ans Werk!

 Spoiler: Nein – man macht so NICHT mal schnell einen Pullover an einem Abend!  Im Gegenteil!

Erster Fehler: Ich hatte mir überlegt, dass ich einen Schnitt brauche und die ganzen Anleitungen für Strickpullover erschienen mir etwas fragwürdig (was daran liegt, dass ich mich damit garnicht auskenne). Also hab ich einfach meinen Sweatshirt-Schnitt genommen, den ich mir irgendwann man bei Pattydoo runtergeladen hatte. Statt Stricken gab es daraufhin also erst einmal einen Abend lang rechnen und knobeln, bis ich so ungefähr eine Idee hatte, wieviele Maschen und Reihen ich denn stricken müsste um irgendwie die Form der Schnittteile zu erzeugen. Das hat so mittelprächtig funktioniert, aber der Pullover passt immerhin. 

Zweiter Fehler: Für’s  Restestricken fand ich Streifen absolut passend, weil man ja dann alles bunt durcheinander verstricken kann. Ich habe zwei weitere Abende damit verbracht, die (gefühlt mindestens 1000) Fadenenden zu vernähen.  Das Stück sieht von innen wirklich gruselig aus. 

Dritter Fehler: Strickteile zusammennähen! In meiner Kindheit war die Idee, auch Strick einfach mit der Nähmaschine zusammen-zunähen ein Sakrileg. Zusehenden Müttern und Tanten gefror allein bei dem Gedanken das Blut in den Adern. Inzwischen weiß ich, dass die Nähmaschine für mich oft eine sehr gute Option ist, was auch daran liegt, dass ich mit der viel besser umgehen kann als mit sorgfältig ausgeführten Handnähten. Die Nähte werden jedenfalls sehr sauber. 

Fehler Nr. Vier bezieht sich auf die Leichtgläubigkeit, mit der man sich auf ein fixes Erklärvideo einlässt, in dem alles super einfach aussieht. Form entsteht (nicht nur) beim Maschinenstricken oft durch verkürzte Reihen, ein tolles Prinzip, mit dem man zu sehr sauberen Ergebnissen kommt, wenn man es wirklich VERSTANDEN hat. Ich habe dabei jedenfalls gelernt, wie man Teile wieder aufribbelt und weiter unten Maschen wieder aufnimmt, um noch mal anzufangen. Das mit den verkürzten Reihen werde ich dann mal im nächsten Pullover üben und mit den Sockenfersen, die ich bisher auch nur theoretisch verstanden habe.

Der fünfte Fehler ist eher ein grundsätzliches Problem: Wenn die Maschine nur so halb funktioniert und man noch nie an einem wirklich gut laufenden Stricker arbeiten durfte, ist es anfänglich schwer zu entscheiden, wer hier eigentlich Schuld hat – du selber oder die Maschine. Von meiner Brother weiß ich nur, dass sie in etwa Baujahr 1978 ist und damals irgendwo schon hart gearbeitet hat. Dann geriet sie offensichtlich in Vergessenheit (so wie die Strickpullover ja sowieso den Sweatshirts zum modischen Opfer fielen), bis sie an mich verkauft wurde. 

Kurz gesagt hat es einige Abende mit Alkohol (für die Maschine, nicht für mich!), Ballistol und Silikonspray gebraucht, bis aus einem harzverklebten Monster voller Ölrückstände ganz langsam ein schnurrendes Kätzchen wurde. Ich selber sammelte dabei natürlich auch eine Menge Erfahrung und Erkenntnisse, so dass wir nach und nach tatsächlich zusammen kamen. 

Zum Schluss noch ein Blick darauf, wie der viel zu kurze Pullover (was ist da beim Rechnen mit Schnitt und Maschenprobe eigentlich schief gelaufen??) dann endlich auch die richtige Länge bekam: Auf den Fotos zu sehen ist, wie Maschen mitten im Stück aufgenommen werden und einfach weiter gestrickt wird, bis die Länge dann stimmt. Dabei habe ich auch den Bund geändert, das Rippenbündchen sah nämlich an mir dann unerwartet doof aus.

Die Kapuze bekam noch ein Futter aus einem Rest weichem Teddystoff und ich habe auch noch eine passende Kordel gestrickt (das war das einzige, was wirklich razfaz problemlos ging). 

Fazit: Mein erster Pullover hat nicht einen Abend gedauert, sondern drei Wochen, aber für den nächsten habe ich Hoffnung, dass es besser geht. 

Es lohnt sich, dran zu bleiben und weiter zu üben, aber Maschinen- stricken hat definitiv nicht zu tun mit dem entspannten Vor-sich-hin-Nadeln beim Fernsehen oder Unterhalten. Außer einem Arbeitsplatz braucht man auch Konzentration, aber ich bin echt angefixt und mache weiter. 

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