„Blau machen“ – so nennen wir es, wenn jemand einfach nur deswegen nicht zur Arbeit oder zur Schule kommt, weil sie oder er mal dringend eine Pause braucht.
Mit Indigo hat der Ausdruck deswegen etwas zu tun, weil die Indigo-Färbung Zeit braucht. Zeit, die man früher warten musste, bis die Oxidationsreaktion an der Luft vollzogen war und der Druck fertig. In dieser Zeit durfte oder musste man Pause machen, in der Wiese liegen und träumen, sich unterhalten, eben alles tun, nur nicht weiter arbeiten. Den Indigo „blau machen“ – das tat der Sauerstoff in der Luft von ganz alleine.
Naturfarbe und der Siegeszug der Chemie
Für mich ist Indigo ein Lieblingsthema, weil ich erstens Blau liebe, zweitens Jeans liebe und drittens Naturfarben liebe. Damit ist aber schon die wichtigste Einschränkung genannt: Blaue Textilien sind natürlich nur noch sehr selten mit natürlichem Indigo (das ist die Pflanze Indigofera tinctoria) gefärbt. Indigo bezeichnet heute vielmehr die Farbe, die den Aufstieg der Badischen Anilin- und Sodafabriken -der BASF – in Ludwigshafen begründete. 1897 wurde dort der chemische Farbstoff auf den Markt gebracht, der sich sehr schnell durchsetzte, weil er einfach zu verwenden war, stabil und lichtecht. Das war aber auch das Ende vom „blau machen“, denn die chemische Farbe funktioniert viel schneller und einfacher als die natürliche.
Echter Indigo: Färben mit der Hand mit Naturfarbe
Über das Färben mit Naturfarben habe ich auch schon hier berichtet. Indigo ist aber so komplex, dass es dazu jetzt einen eigenen Beitrag gibt. Der klassische eurpäische Vorläufer war die Färbung mit Färber-Waid, das ist eine in Europa heimische Pflanze, die man zum Färben von Textilien benutzte.
Indigo ist dagegen ein in Indien heimischer Halbstrauch, der in die Familie der Schmetterlingsblütler gehört. Man erkennt an den Blüten sofort die Verwandtschaft mit Klee und Lupine Indicofera tinctoria gehört also mit Bohnen, Linsen, Erbsen und Soja zu den Hülsenfrüchten. Indigo ist zwar eher eine Tropenpflanze die Sonne braucht, aber als Kübelpflanze ist sie für engagierte Gärtner:innen auf jeden Falle einen Versuch wert. Saatgut gibt es unter anderem bei Rühlemann, der eigentlich alles hat, was leidenschaftliche Kräuterhexen gerne in ihren Beeten sehen.
Man sieht natürlich auf den ersten Blick, dass die Pflanze überhaupt nicht blau ist. Der Farbstoff wird aus den Blättern extrahiert, aufbereitet und dann als fester „Kuchen“ oder als Pulver verkauft. Das Pulver ist dann tiefblau und nicht grün, zwischen Blatt und Pulver muss also noch etwas passieren.
Die Blätter werden in Wasser fermentiert (so ähnlich wie Tee) und dabei entsteht die blaue Farbe.
Wenn dir das nicht genug ist, kommt hier die genauere Erklärung: In den Blättern ist der Stoff Indican enthalten, der ist hellgelb und besteht eigentlich aus Indol . Das ist so ein komplizierter Sechser-Fünfer-Ring aus Kohlenstoff- und Stickstoffatomen, an den ein Glucosemolekül (=Traubenzucker) gebunden ist. Wenn man die Blätter lange genug in Wasser einweicht, trennt sich in einem Fermentierungsprozess die Glucose ab und das Indican ist dann Indoxyl. Aus je zwei Indoxyl-Molekülen wird dann mit Sauerstoff (Oxidation) je ein Indigo-Molekül. Und – richtig geraten – das ist dann blau.
Die Sache mit der Küpenfärbung
Indigo kann aber so nicht benutzt werden, weil es nicht in Wasser löslich ist. Man muss es also zuerst wieder so verändern, dass es sich in Wasser auflösen kann. Das macht man mit Reduktionsmitteln, die die Reaktion wieder umkehren. Das blaue Indigo wird also wieder ganz hellgrün und dafür kann es dann im Wasser aufgelöst werden.
Man füllt also in das Färbegefäß Wasser, das Reduktionsmittel und einen Stoff, der das Wasser alkalisch macht, z.B. NaOH (Natronlauge). Ein bisschen Spüli hilft, den Kontakt zwischen Fasern und Wasser zu verbessern. Das Ganze wird auf ungefähr 70 Grad erhitzt und nur sehr vorsichtig umgerührt, damit möglichst wenig Sauerstoff in die Brühe kommt. Diese Brühe ist die Küpe. Da wird der zu färbende Stoff eingelegt. Das hellgrüne Indoxyl legt sich an die Stoff-Fasern an. Wenn man den Stoff dann an die Luft hält, wird mit dem Sauerstoff aus dem Idoxyl wieder Indigo. Das ist dann wieder wasserunlöslich, aber jetzt fest auf der Faser drauf und kann nicht mehr ausgewaschen werden. Man kann den Vorgang wiederholen um die Färbung intensiver zu machen.
Härtere und sanftere Chemikalien
Das Reduktionsmittel war klassischerweise immer Natriumdithionit (auch Hydrosulfit genannt). Der Stoff macht sehr effektiv was er soll, aber das tut er auch mit der Haut, den Schleimhäuten, der Lunge und so weiter. Ein Reduktionsmittel wirkt so, dass es – einfach gesagt – den Molekülen in seiner Umgebung die Sauerstoff-Atome wegnimmt. Prima beim Indigo, nicht so gut bei Haut und Schleimhäuten. Das bedeutet, man sollte draußen arbeiten und Handschuhe und Schutzbrille tragen. Das Zeug gehört auch nicht in Kinderhände.
Im Hobby-Bereich ist es deswegen sinnvoll, Reduktionsmittel zu benutzen, die viel verträglicher sind. Am weitesten verbreitet ist Fruktose, also der Fruchtzucker. Solche Stoffe sind zwar nicht so effektiv wie die gut funktionierenden Chemikalien, aber es funktioniert.

Blaudruck und Indigo Batik
Blaudruck hat eine sehr lange Tradition in Europa. Bis heute werden die typischen weiß-blauen Muster produziert. Mit Stempeln werden Muster auf weißen Stoff übertragen. Statt Stempelfarbe benutzt man eine Art Matsch-Kleber, der die Faser gut abdeckt und dafür sorgt, dass während der Färbung keine Farbe an die abgedeckten Stellen kommt. Am Ende wird dieser „Papp“ wieder ausgewaschen und das Muster erscheint weiß auf blau. Es handelt sich also um einen Reversdruck, wie beim Batiken.
Eine nahezu gleiche Technik wird bis heute im indischen Jaipur ausgeübt. Jaipur ist eine Textil-Hochburg, die schönsten Hand-Blockprints kommen aus Sanganer, einem Vorort von Jaipur. Die Blaudruck-Hochburg ist in Bagru, ein kleiner Ort, wenige Kilometer von Jaipur entfernt. Hier wird nach traditioneller Methode und mit den alten Mustern gearbeitet. Durch die Technik sind die Stoffstücke nie länger als acht bis 11 Meter, so lang sind die Tische, auf denen mit den traditionellen Holzmodeln gestempelt wird. Manche Stoffe werden zweimal bearbeitet, dann entstehen sehr schöne hellblau-dunkelblau Muster. Der „Papp“ wird aus Lehm, Glycerin und diversen „geheimen“ Zutaten direkt vor Ort hergestellt. Ebenso erfolgt das Auswaschen nach der Färbung vor Ort.
Auch in Indien sind die Hand-Blaudrucke eine Rarität, die auf dem Massenmarkt kaum nachgefragt wird. Ich selber freue mich daher umso mehr, wenn ich schöne Stücke finde.